Leseprobe aus „Das Land zwischen den Gedankenstrichen“

Besondere Orte und Zeiten

Wenn man an einem lauen Sommerabend in der Marina Wien am Ufer der Donau steht und Richtung Norden schaut, sieht man die Silhouetten und Lichter der Hochhäuser, die an beiden Ufern des Flusses in die Höhe ragen. Trägt dann der Wind den Geruch des Wassers und das Plätschern der Wellen herüber, hat man einen Augenblick lang das Gefühl, in einer richtigen Großstadt und am Meer zu sein. Es ist schade, dass einige Kilometer stromaufwärts die Klosterneuburger aus der Lage ihrer Stadt am Ufer des Donaustroms so lange nichts Rechtes zu machen verstanden und das Gelände um die mittlerweile verwaiste Pionierkaserne mit Supermärkten zubauten. Dabei hätte die Stadt der Babenberger und der Augustiner Chorherren durchaus nautische Tradition. Im 16. Jahrhundert gab es nördlich von Wien Schiffswerften, in denen sogenannte Tschaiken, flache Segelschiffe, die man auch rudern konnte, gebaut wurden. Es wäre also durchaus nicht abwegig, Klosterneuburg wieder an die Donau heranwachsen zu lassen und auf diese Weise gleich per Wasserstraße an Wien anzubinden.

An einem sonnigen Herbstnachmittag empfiehlt sich ein Spaziergang auf einem der Treppelwege durch die Au von Klosterneuburg. Linker Hand zeigt einem das Stift der Augustiner Chorherren, wie gelungen Macht und Geld im Barock in Architektur verwandelt werden konnten. Im schräg einfallenden Sonnenlicht tanzen Myriaden von Mücken, der süß-herbe Geruch des goldgelben und roten Laubes vermischt sich mit jenem der gelegentlich vorbeitrabenden Pferde zu einer Mischung aus Schönheit und Vergänglichkeit, die einem das Herz gleichzeitig zuschnürt und weit macht.

Wer Gelegenheit hat, in einer schwülen Juninacht in einem Waldviertler Teich zu schwimmen und anschließend auf einem aus dem Wasser herausragenden „Restling“ aus der letzten Eiszeit auf den Vollmond zu schauen, sollte diese nicht ungenützt verstreichen lassen. Anschließend wird man so tief und erholsam schlafen wie kaum zuvor. Das mag unter anderem auf die leicht erhöhte Radioaktivität zurückzuführen sein, die in dieser urzeitlichen Landschaft herrscht. Auch im November ist das Waldviertel, genauer gesagt seine vielen Fischteiche, einen Ausflug wert. Das Abfischen, bei dem die Fischer stundenlang im eiskalten Wasser stehend die Karpfen mit riesigen Netzen zusammentreiben, ist für Städter schon ein gewaltiger Anblick. Wenn dann am Ende des Abfischens in einem kleinen Teil des Teiches hunderte Fische zappelnd das Wasser aufwühlen, ist das ein archaisch anmutendes Schauspiel.

Im September, wenn die letzten Sommerfrischler das Ausseerland und die letzten Festspielgäste Salzburg verlassen haben und die Einheimischen wieder unter sich sind, findet in Altaussee der Kirtag und in Salzburg-Stadt der Rupertikirtag statt. Dabei ist es erfreulich zu sehen, dass auch viele junge Menschen mittlerweile wieder Freude daran haben, in unserer globalisierten Welt Tracht als Teil einer regionalen Identität zu tragen. Die Verbreitung der Tracht im Allgemeinen, deren etymologischer Ursprung sich eben vom Verb „tragen“ herleitet, und des Dirndls im Speziellen sind nämlich ein Hinweis darauf, dass diese ursprüngliche Arbeitskleidung die erste war, die Anfang des 19. Jahrhunderts mit Hilfe der bürgerlichen und adeligen Sommerfrischler den Aufstieg aus der ländlichen in die urbane Gesellschaft geschafft hat. Den Jeans gelang das, wenn auch internationaler, schließlich erst hundertfünfzig Jahre später.

In der Salzburger Innenstadt hängt in einem Durchgang zwischen Getreidegasse und Universitätsplatz ein präparierter Haifisch, der sich in einem Netz befindet, das seinerseits an einer Walrippe befestigt ist. Das Haus, zu dem der Durchgang gehört, dürfte eines der ältesten von Salzburg sein. Auf einem Schild findet sich folgende Inschrift: „[…] 1363 bereits urkundlich erwähnt. Seine Bewohner waren bedeutende Kaufleute wie Peter der Alt Chewczel „Keuzel“, Hanns Ritzinger, Hans Rauchenperger, Stefan Hueber, Michael Mayr. Sie pflegten weltweite Handelsbeziehungen, im Besonderen den Warenaustausch zwischen den deutschen und italienischen Ländern“. Angeblich wurde das Haifisch-Präparat von Max Reinhardt als Dekoration für das Studierzimmer in einer Faust-Inszenierung verwendet. Ursprünglich diente es einem Kolonialwarengeschäft als Aushängeschild. Salzburg, das geologisch gesehen auf dem Grund eines Meeres aus dem Archaikum liegt, hat seinen Bezug zu diesem Urozean offenbar nie ganz verloren. Das Interessante an diesem Fund ist, dass keiner meiner Salzburger Freunde diesen Haifisch jemals bewusst wahrgenommen hat, bevor ich ihnen davon erzählte. Erst seit Kurzem gibt es über diese einzigartige Dekoration einen Eintrag in Wikipedia.

Im Juli ist es ein Genuss, auf einem Bootssteg an einem der Kärntner Seen zu liegen. Blickt man mit halbgeschlossenen Augen auf die glitzernde Wasserfläche, meint man sich schon jenseits der Alpen an der Adria. Erstaunlich ist weiters, dass an manchen Hochsommerabenden der Himmel über der Donau nordwestlich von Wien in einem leicht dunstigen Licht erstrahlt, das zu vergleichbaren Stunden jenem an der Cote d‘Azur ähnelt.

Eine meiner aufregendsten Kindheitserinnerungen betrifft das eigentlich unbeschreibliche Gefühl, das man nach einer stundenlangen Autofahrt und einem Fußmarsch über eine tief verschneite und daher nicht befahrbare Bergstraße in einem Tiroler Dorf hat, wenn man dann todmüde unter die klamme Decke des Bettes in der endlich erreichten Ferienpension schlüpft.

Eine andere, liebgewonnene Erinnerung habe ich an das kleine Haus meiner Großeltern in einer Reihenhaussiedlung in einem Vorort von Wien. Es gab dort einen Marillenbaum, der eines Tages durch einen Blitzschlag gespalten wurde, und ein kleines Schwimmbecken. An heißen Sommertagen gab es nicht Schöneres, als in der kühlen Küche zu sitzen und bei Paradeissauce mit Semmelknödeln aus dem Radio das Geläut von Kirchenglocken zu hören, das die Mittagsstunde und damit den Beginn der Radiosendung „Autofahrer unterwegs“ akustisch anzeigte. Am Nachmittag konnten wir Kinder dann den Bewohnern der Schrebergartensiedlung beim Gießen der Paradeispflanzen zusehen und gelegentlich auch beim Sprechen mit ihnen zuhören.

Nach einem ausgedehnten Herbstspaziergang durch den Wienerwald ist es ein betrüblicherweise selten gewordener Genuss, in einem Gasthaus mit dunkler Holzvertäfelung und abgetretenem Schiffboden vom Wirt eine dampfende Rindsuppe samt hausgemachter Grießnockerl aus einem Metallhäferl in den tiefen Suppenteller serviert zu bekommen.

Ein vor allem olfaktorisch hochinteressanter Ort war das Büffet im Anatomischen Institut in der Währinger Straße in Wien. Leider wurde es vor einigen Jahren wegen Platznot des Institutes geschlossen, steht aber seither leer und bietet einen trostlosen Anblick. Früher mischte sich dort der Duft von Gulaschsuppe mit den Formalindämpfen aus den Seziersälen. Das ist nichts für Menschen mit schwachen Magennerven, aber offenbar ein Odium, das die angehenden Fellingers und Billroths zu stimulieren schien. Gerade an diesem Ort wurden nicht nur Liebschaften begonnen, auch Ehen hatten dort ihren Ausgangspunkt. Überhaupt scheint die Mischung aus Spitalsgeruch, den ich erstaunlicherweise schon als Kind im Zuge einiger Krankenbesuche bei Verwandten kennen- und tatsächlich schätzen gelernt habe, und Gulaschsaft bei Medizinern beliebt zu sein. Zu den Gewohnheiten eines durchaus barock zu nennenden Pathologen aus Oberösterreich, der als Fallschirmspringer bei Monte Cassino gekämpft hatte, gehörte es, als Gabelfrühstück ein „Flaxengulasch“ und ein kleines Bier zu sich zu nehmen. In seinem Seziersaal stand nach Augenzeugenberichten auch immer eine Kiste Bier für den persönlichen Gebrauch. Ein mindestens ebenso voluminöser und mit einem beachtlichen Schmiss ausgestatteter Neurochirurg aus der Steiermark war dafür bekannt, auf Reisen nicht nur stets einen Steireranzug samt Hut und Gamsbart zu tragen, sondern auch ein eigens für ihn angefertigtes Bestecksortiment, das durchaus auch Hummerzangen und Schneckengabeln umfasste, in einem Futteral selbst im Flugzeug mit sich zu führen. Der Mann war gleichermaßen Gourmand wie Gourmet. Leider ist mir nicht bekannt, wie er auf das seit einigen Jahren herrschende Verbot, waffenähnliche Gegenstände wie Essbestecke im Handgepäck mitzuführen, reagiert hat.

Ein besonderer Ort, den es leider auch nicht mehr gibt, war das alte Café Klinik in der Spitalgasse vis-à-vis vom Institut für Pathologie. Wer im Café Klinik mittags einen Tisch reserviert bekam, hatte es in der Wiener Medizin zu etwas gebracht. Und so war es kein Wunder, dass dort zwischen zwölf und eins oft eine höhere Dichte an Ordinarii und Professoren herrschte als auf dem Ärzteball.

Das unbeschreibliche Gefühl, das einen bei Tagesanbruch Ende Juni unter den mit Büsten berühmter Wissenschafter geschmückten Arkaden und in den Innenhöfen der Hauptuniversität am Ende einer durchtanzten Ballnacht berührte, kann man leider nicht mehr erleben. Nachdem es vor etlichen Jahren durch herabfallende Fassadenteile einen Verletzten gegeben hatte, wurde der Universitätsball vom Ballkalender der Stadt Wien gestrichen.

Das letzte von ursprünglich drei Klosterneuburger Kinos, jenes am Rathausplatz nämlich, war bis zu seiner Schließung im September 2013 ein Platz, der es den wenigen Besuchern, die meist zusammen mit ihren Kindern kamen, erlaubte, für wenig Geld mit dem Erwerb einer Kinokarte auch eine Reise in die Vergangenheit zu buchen. Denn die unbeugsamen Besitzer boten ihrem Publikum neben einer Loge, in der wahrscheinlich schon seine Großeltern im Schutze der Finsternis ihre Köpfe zusammengesteckt hatten, auch sonst das Ambiente der späten 1960er-Jahre. Kleine Tische mit von unten beleuchteten und mit papierenen Spitzendeckchen verzierten Platten erlaubten es, das Sackerl mit dem obligatorischen Sportgummi oder dem Popcorn abzulegen und die Sessel waren so wunderbar durchgesessen, dass man die neunzig Minuten ganz bequem in ihnen lümmeln konnte, ohne Kreuzweh zu bekommen. Der Enthusiasmus der Eigentümer ging sogar so weit, dass auch für eine Mutter mit Kind der Projektor angeworfen und nach fünf Minuten gefragt wurde, ob „die Lautstärke eh recht ist“.

Steht man am Kahlenberg knapp unterhalb der Sobieski-Kapelle und blickt hinunter auf die träge dahinfließende Donau, ist es schwer vorstellbar, dass es sich bei den mit Wein bestandenen Hängen um die östlichsten Ausläufer der Alpen handelt. Wie mochten sich wohl jene Kelten gefühlt haben, die nachweislich um 400 v. Chr. am benachbarten Leopoldsberg siedelten, wenn sie die Alpen im Rücken auf die Donau blickten?

Auch der Wienerwald, die grüne Lunge Wiens, endet an den Hängen dieser beiden Wiener Hausberge. Der beinahe betäubende Geruch nach Bärlauch, der in dieser Gegend im April in der Luft liegt, ist eines der stärksten Aphrodisiaka, die noch dazu kostenlos verfügbar sind. Die Erhaltung des Wienerwaldes, jener grünen Lunge Wiens, verdankt die Hauptstadt dem unermüdlichen Einsatz eines einzigen Mannes. Josef Schöffel gelang es durch aufmüpfige Zeitungsartikel in einem Zeitraum von zwei Jahren die öffentliche Meinung, die von der bekannten österreichischen Lethargie geprägt gewesen war, zu mobilisieren und solcherart die Regierung zu veranlassen, einen bereits abgeschlossenen Vertrag mit einem Holzhändler betreffend die Schlägerung aufzulösen.

Eine der letzten Hadern-Bütten-Papiermühlen Mitteleuropas befindet sich im Waldviertel. Als ich anlässlich eines Ausfluges der Schulklasse meiner Tochter in einem Winkel des Schöpfraumes zwei josephinische Sessel entdeckte, die wohl seit dem Bau der Mühle 1784 schon immer dort ihren Platz gehabt haben, entstand der spontane Wunsch, sie zu erwerben. Das Vorhaben hätte gelingen können, wenn ich den Hausherrn und nicht seine Frau danach gefragt hätte. Denn er wollte „den alten Plunder“ gern loswerden, während sie sich von den Erbstücken nicht trennen wollte.

Im Jahr der Errichtung der Mühle veröffentlichte der aus einer Waldviertler Bauernfamilie stammende Leopold Paur einen Plan, der die Gründung einer auf dem Reißbrett entworfenen Stadt vorsah. Paur, geboren am 15. November 1735 in Altenburg bei Horn, besuchte untypischerweise das Piaristengymnasium in Horn und studierte ab 1754 an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Nach Abschluss des Jusstudiums lebte Paur als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien. Obwohl er 1770 die vermögende Katharina Dekret geheiratet hatte, starb er am 17. September 1800 einsam und verarmt.

Paurs in der Wiener Realzeitung, deren Herausgeber Ignaz von Born war und an der auch der bekannte Dichter Aloys Blumauer mitarbeitete, publizierte Vision sah in der Gegend um Horn die Errichtung einer kreisförmig angelegten Stadt vor. Vier Hauptstraßen sollten die „Stadt im Traume“ in acht Kreissegmente teilen, von denen jedes ein „Forum“ und einen Kirchenplatz aufweisen sollte. Laut dem erhalten gebliebenen Plan waren 856 einheitliche, viergeschossige, im josephinischen Stil gehaltene Häuser vorgesehen, deren Errichtungskosten er mit 100.000 Gulden pro Gebäude veranschlagt hatte. Interessanterweise hat der Plan, dessen Straßennetz neben nach Nord / Süd und Ost / West ausgerichteten Hauptverkehrswegen auch diagonal, also in südwestlicher und nordöstlicher Richtung verlaufende Straßen aufweist, Ähnlichkeiten mit jenem von Washington, für den Pierre L´Enfant maßgeblich verantwortlich zeichnete. Der junge Franzose hatte sich im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit General George Washington angefreundet und war nach dessen Wahl zum Präsidenten mit dem Entwurf für den Bau der neuen Hauptstadt beauftragt worden. Als Vorlage dienten Stadtpläne europäischer Städte wie Paris und Karlsruhe, die Thomas Jefferson 1788 von einer Europareise mitgebracht hatte. Sein erster Stadtplan wurde 1792 veröffentlicht. Schon kurze Zeit später kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Kongress, sodass L´Enfant von dem Vorhaben zurücktrat. Obwohl sein Nachfolger Andrew Ellicott seine Pläne in modifizierter Form umsetzte, starb L´Enfant so wie Paur vergessen und verarmt.

In Paurs visionärem Stadtprojekt sollten Menschen aller Kontinente und Schichten friedlich zusammenleben. Für die Finanzierung (etwa 90 Millionen Gulden) waren Erlöse aus einem nur ihm bekannten und verloren gegangenen Patent, möglicherweise für ein Medikament gegen Syphilis, vorgesehen. Seine erhalten gebliebene Kalkulation sah vor, dass er je 20 Kreuzer von einer Milliarde Kunden lukrieren wollte, sodass „in allem, Salvo errore calculi, dreihundertdreiunddreißig Millionen dreimalhundertdreißigtausend, dreihundertdreißig Gulden und zwanzig Kreuzer eingehen würden“. Es scheint, dass das Interesse seiner Zeitgenossen begrenzt gewesen sein dürfte, denn das utopische Projekt wurde nicht einmal begonnen. Vielmehr wurde seinerzeit in Wien über Paur und seinen Plan mit folgendem Vers gespottet: „Sein Riss der Stadt im Traum fiel unvergleichlich aus / Vergaß er gleich das nöthigste – das Narrenhaus.“ In einer Bildbeschreibung zu Paurs Plan in der Nationalbibliothek wird auf die Ähnlichkeit mit dem Stadtplan von Karlsruhe (und – indirekt – auch von Washington) hingewiesen. Interessant ist weiter, dass Paur 333 Millionen Gulden auftreiben wollte und die Zahl 33 auch bei verschiedenen Bauwerken Washingtons eine zentrale Bedeutung hat. Haben sich der Sohn einer Waldviertler Bauernfamilie und der Architekt der amerikanischen Hauptstadt getroffen und ihre Ansichten über die Anlage einer den Ansprüchen der Aufklärung genügenden „Stadt für alle“ ausgetauscht? Möglich wäre es immerhin.

Weltweit einzigartig ist, dass es nur in Österreich gelingt, mit einer Gewehrkugel ins Zentrum einer Schießscheibe zu treffen, wenn man absichtlich daneben zielt. Nordöstlich von Tamsweg liegt der Prebersee. Es handelt sich um einen Moorsee mit höchst ungewöhnlichen Wassereigenschaften, die es ermöglichen, dass beim „Spiegelschießen am Prebersee“ eine Gewehrkugel von der Wasseroberfläche „abgellern“ und ins Schwarze der am Ufer aufgestellten Zielscheiben treffen kann, wenn man ihr Spiegelbild anvisiert. Die Kugeln prallen dabei nicht, wie man vermuten könnte, einfach von der Wasseroberfläche ab, sondern tauchen drei bis vier Zentimeter tief ein, schlagen dabei eine Mulde in das besonders weiche Wasser und treten dann wieder daraus hervor. Dieses Phänomen wurde erstmals im 19. Jahrhundert bei der Entenjagd entdeckt und seither immer wieder untersucht, aber bisher weder befriedigend erklärt noch an anderer Stelle wiederholt.

Keller haben in Österreichs jüngerer (Kriminal-)Geschichte immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Als der Autor vor einigen Jahren vor dem Oriental Hotel in Bangkok in ein Taxi stieg und vom Fahrer nach seinem Herkunftsland gefragt wurde, erwiderte der Chauffeur auf die gegebene Antwort ebenso wissend wie angewidert: „Oh, the Fritzl-Country!“ Umso erfreulicher ist es daher, an dieser Stelle von einem besonderen Kellerfund aus dem Jahr 2008 zu berichten. Damals entdeckte nämlich ein Wiener Geschäftsmann in der Annagasse hinter der vermoderten Holzverkleidung einer ehemaligen Szenediskothek den Zugang zu einem längst verloren geglaubten unterirdischen Ballsaal. Dabei handelt es sich um den zwischen 1893 und 1895 von den bekannten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer errichteten zweistöckigen Tanzsaal eines Revuetheaters namens „Tabarin“ im „Annahof“, der wiederum an der Stelle des früheren Jesuitenklosters Sankt Anna entstanden war. Nachdem unter Kaiser Joseph II. der Jesuitenorden verboten worden war, beherbergte der Annahof zwischen 1786 und 1876 die Akademie der bildenden Künste, bevor er 1887 abgerissen wurde. 1910 war in den Kellerräumen eine Zwischendecke eingezogen worden, um hinkünftig statt Bällen Kabarettabende geben zu können. Hans Moser soll in dem dann als „Boulevardtheater“ bezeichneten Etablissement 1911 sein Bühnendebüt gegeben haben. Nach 1947 ist der Saal zugemauert und vergessen worden, und zwar so sehr, dass selbst das Bundesdenkmalamt nicht wusste, dass er noch existierte. Daher waren Reste der Originaltapete, Stuckelemente und sogar der Bühnenvorhang erhalten geblieben und wurden mit enormem finanziellem Einsatz des neuen Hausherrn und mit viel Liebe zum Detail renoviert. Heute werden im ehemaligen Ballsaal Schuhe verkauft.

In dem kleinen Ort Schöngrabern, nahe Hollabrunn, steht eine romanische Kirche, die um 1200 erbaut und Ende des 14. Jahrhunderts um das nördliche Chorquadrat erweitert wurde. Dort finden sich an der Fassade Reliefs, die Männerköpfe mit seltsam gespaltenen Bärten sowie biblische Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament zeigen. Diese „steinerne Bibel“ ist in Österreich einzigartig und auch sonst in vergleichbarer Form nur an wenigen Orten in Frankreich und Italien zu finden, was seit Jahrhunderten Anlass zu Spekulationen darüber gab, ob die Pfarrkirche eine Kultstätte der Ritter des Templerordens gewesen sein könnte. Mehrfach wurde die kleine Kirche im Weinviertel deshalb auch mit der aus Dan Browns Roman „Der Da Vinci Code“ bekannten Rosslyn Chapel südlich von Edinburgh verglichen.